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FORUM 347005
Stammtisch
2015-07-02 | garibaldi
Re:Reisen nach Griechenland
Bei allem, was da passiert, haben wir aufgrund der merkwürdigen Sehstörung, die flächendeckend unsere Politiker und Medien befallen hat, ein sehr einseitiges Bild von der Situation.

Es ist tatsächlich verzwickt. Was sollen die Griechen machen? Weiter wie bisher? Das ist im Grunde doch das, was die "Institutionen" verlangen. Dass dabei das Volk immer mehr verarmt und am Ende auf Überlebenshilfe angewiesen sein wird, ist denen egal. Denn betrachten wir doch mal die Situation: Verlangt werden weitere Rentenkürzungen und Steuererhöhungen. Erzielt werden soll ein Wiederanlaufen der Wirtschaft. Wie soll das gehen? Wenn die Einnahmen wegbrechen (denn wer nix mehr verdient, zahlt so oder so keine Steuern mehr), wie soll da die Wirtschaft wachsen? Zwangsurlaub in Griechenland für alle Europäer???

Was Tsipras und Varoufakis von Anfang an wollten und immer wieder verlangt haben, ist angesichts der real schon seit Jahren bestehenden Pleite des Landes ein geordnetes Insolvenzverfahren innerhalb der Eurozone. Das wäre der einzig richtige und vernünftige Weg, aus dem Teufelskreis von immer neuen Schulden und immer neuen Hilfskrediten raus zu kommen. Aber das will man nicht, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.

Und jetzt? Wie soll das weitergehen? Es gibt ja im Grunde nur noch zwei Möglichkeiten:
1) Die Griechen sagen nein. Was dann? Dann muss wieder neu verhandelt werden, denn alles außer einer irgendwie tragbaren Lösung des Schuldenproblems wäre für alle Beteiligten sehr schmerzhaft.
2) Die Griechen sagen ja. Was dann? Siehe oben: Es ginge immer so weiter, das Volk würde immer ärmer, die alten Schulden würden durch noch mehr neue ersetzt, wie das bisher auch praktiziert wurde. Wohin soll das am Ende führen? Es muss doch irgendwann mal der Punkt kommen, wo die Geldgeber einsehen, dass es kontraproduktiv ist, was sie da machen.

Was die "Institutionen" bei Griechenland von Anfang an, also schon seit Jahren, total falsch eingeschätzt haben, ist die Tatsache, dass dieses Land viel zu unorganisiert ist, um die sinnvollen Reformen, die nötig wären, umsetzen zu können. Und wenn sie es könnten, bräuchten sie dafür sehr viel Geld, das sie nicht haben, denn Reformen gibt´s nicht zum Nulltarif. Nur mal als Beispiel: Was würde es wohl kosten, dort ein funktionierendes Katasterwesen aufzubauen, flächendeckend für das ganze Land? Man muss sich nur mal vor Augen führen, was und wen es dazu alles braucht! Wer soll das denn bezahlen? Und wenn das Ding dann mal aufgebaut wäre, müsste es auch geführt werden, die erforderlichen Vermessungs- und Erfassungsarbeiten dauern doch Jahre!

Im Übrigen ist es eine Frechheit, wenn der Regierung Tsipras immer wieder unterstellt wird, sie täten nichts. Das ist schlicht gelogen, und das wissen die, die so daher reden, ganz genau. Was Tsipras nicht getan hat, ist nur das, was die Institutionen gefordert haben, obwohl sie genau wussten, dass er das gar nicht machen konnte, ohne komplett unglaubwürdig zu werden. Sie wollten diese Regierung mit allen Mitteln vorführen, weiter nichts. Deshalb sind sie auf die Vorschläge von Tsipras überhaupt nicht eingegangen, sie haben sie ja offensichtlich nicht mal gelesen! Ich erinnere mich noch sehr gut an einen Fall, da hat die Athener Regierung um 15:00 eine Vorschlagsliste nach Brüssel geschickt, und um 16:00 hat Herr Schäuble (oder war´s ein anderer?) in die Mikrofone getönt: "Das reicht nicht". Und damit war die Vorschlagsliste komplett gestorben für die! Dass Tsipras jetzt mit dieser Abstimmung daher kommt, ist daher nur folgerichtig, denn er kann ja nicht gegen sein Mandat regieren.

Wie auch immer, die Situation ist gründlich verfahren. Aber dafür allein Tsipras die Schuld zu geben, ist schlicht falsch und unfair. Von wegen hoch gepokert, dazu gehören immer mehrere Spieler! Wer sich da am Ende verzockt hat, ist noch lange nicht raus. Der grandiose Realitätsverlust der Institutionen, nämlich die tatsächliche Pleite schlicht nicht sehen zu wollen oder zu können, wird uns noch teuer zu stehen kommen. Was mich nur irritiert: Warum sehen so wenige, dass es so ist? Dass IWF, EZB und Eurogruppe da seit Jahren eine Insolvenzverschleppung veranstalten, bei der die Griechen seit Januar nicht mehr mitmachen wollten, wofür sie jetzt noch mehr bestraft werden, das hat doch mit Realpolitik nix mehr zu tun, oder wie?

Schönen Gruss
Cornelius

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