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Im Zirkuswagen durch die Welt


 Im Winter beginnt der Tag um 6 Uhr

Zirkus "Mulan/Rojal" macht in Minden Pause / Futterspenden und Engagement gesucht

Festungsstraße 7a, das ist nicht gerade die feinste Adresse, aber dafür sind die Bewohner dieses Platzes umso herzlicher und gastfreundlicher. Hier am Fort A riecht es nach Zirkusluft.
Von Inge Czygan

Bis März hat der Zirkus "Mulan/Rojal" in Minden zum fünften Mal sein Winterlager aufgeschlagen, und selbst in Dankersen wundert sich inzwischen keiner mehr, dass plötzlich das durchdringende "I-A" des Esels "Pinocchio" bis in die heimischen Wohnzimmer dringt. Auch das Veterinäramt hat in Sachen Tierschutz keine Bedenken. "Alles in Ordnung, mit diesem Zirkus haben wir keine schlechten Erfahrungen gemacht", sagt Pressesprecherin Sabine Ohnesorge (33). "Eine Routinekontrolle steht unmittelbar bevor."

Doch wer sind eigentlich diese netten "geheimnisvollen" Zirkusleute? Die Managerin des Familienunternehmens mit zwölf Personen, 35 Tieren und 20 Wagen ist Linda Köllner, am 31. Dezember 1970 in Halle/Westfalen geboren. "Ich bin als Älteste von zwölf Geschwistern im Zirkus Trumpf meiner Eltern William und Elke aufgewachsen, dieses Familienunternehmen besteht schon seit fünf Generationen", erzählt die selbstbewusste sympathische Juniorchefin, während sie auf dem Gasherd im mollig warmen, gemütlich eingerichteten Küchenwagen den Sonntagsbraten zubereitet. "Wir Kinder schliefen in einem Wohnwagen mit Etagenbetten, und wir haben von Anfang an gelernt anzupacken. Während meine Eltern auf der Suche nach neuen Standorten waren, habe ich meine Geschwister versorgt. Mein Bruder Mike führt heute den Zirkus Francesco, William den Zirkus William und meine Schwester Daniela den Zirkus Maximus. Ein Leben ohne Zirkus können wir uns nicht vorstellen."

Familie, Tiere, Geld verdienen, ein täglicher Stress, bei dem nicht selten die Schule auf der Strecke bleibt. "Wir gingen bis zum zwölften Lebensjahr zur Schule", erinnert sich Linda. "Dafür habe ich schon mit zwölf für die Familie gekocht und gebacken, und das macht mir bis heute großen Spaß."

Mit 18 bekommt Linda ihren ersten Sohn, Alfons (20), der in einen Zirkus bei München eingeheiratet und bereits zwei eigene Kinder, Jeffrey (1) und Leslie (7 Monate), hat. Bei Linda folgen noch vier weitere Kinder: Amanda (17, Akrobatin), Ashley (16, Hula-Hoop, Seilartistik, Arobatik), Chantal (9, Hula-Hoop, Akrobatik) und Romano (15, mexikanische Lassospiele, Trapez).

    "Ich gehöre in einen Wohnwagen"

    Geheiratet hat Linda nie, aber sie hat versucht, sesshaft zu werden. "Das war nichts für mich", winkt sie ab. "Ich gehöre in einen Wohnwagen, und es kribbelt schon, dass wir endlich wieder reisen können."

    Als Lindas Beziehung zerbricht, findet sie im Zirkus ihres Vaters Unterschlupf. Bis vor einem Jahr. Dann trifft die fünffache Mutter eine Entscheidung, die ihr Leben verändert und zieht mit ihrem eigenen Zirkus "Mulan", fünf Wagen, zehn Tauben, den drei Pudeln "Kimba", "Loop" und "Mira" sowie mit ihren vier jüngsten Kindern zu ihrem neuen Lebensgefährten Renaldo Rojan (38), dem Besitzer des Zirkus "Rojal".

    "Wir lernten uns 2006 auf einer Einschulungsparty in Bochum kennen", berichtet sie. "Zuerst tanzten wir nach romantischer Musik von Julio Iglesias, aber es dauerte ein Jahr, bis wir wussten, dass wir zusammen gehören." Lachend fügt sie hinzu: "Dass wir beide mit unseren Zirkussen im Winterquartier in Minden stehen, bemerkten wir zufällig erst später."

    Jetzt ist die Patchwork-Familie von Linda und Renaldo, den Kindern, seiner Mutter Petra und den Verwandten komplett. Auf eine strenge Erziehung legt Linda großen Wert. "Meine Kinder dürfen nicht in die Disko", sagt sie. "Jedes hat im Zirkus seine Aufgaben, und sie lernen früh, wie schwer es ist, Geld zu verdienen. Wir haben kein monatliches Einkommen und bekommen keine staatliche Unterstützung, sondern wir müssen unsere Engagements selber suchen. Kids, die streunen, sich auf dem Schulhof schlagen oder Omas überfallen - so was gibt es bei uns nicht. Unsere Kinder gehen zur Schule, und zusätzlich kommt mehrmals wöchentlich die mobile Zirkusschule im Wohnmobil. Bei uns ist es nie langweilig. Wir malen, spielen, sind bei den Tieren, reiten aus und gehen einmal in der Woche ins Melittabad."

    Der Tagesablauf beginnt um sechs Uhr morgens, wenn die Tiere gefüttert werden. Tagsüber wird trainiert, die Requisiten müssen gewaschen und die Kostüme in Ordnung gebracht werden. Um 21 Uhr bekommen die Tiere das letzte Futter, und danach trinken Linda und Renaldo vor dem Fernseher eine Tasse Tee.

    "Als Horst Tappert starb, weinte ich", gesteht Linda. "Derrick und Tatort sind meine Lieblingssendungen. Unsere Tiere waren auch schon im Fernsehen, vor zwei Jahren wirkten sie in den Serien ,Forsthaus Falkenau´ und "Der Bergdoktor´ mit."

    Fast hätte auch Linda den Sprung ins Showgeschäft gewagt, als ihr mit 17 ein Plattenvertrag winkte. "Ich singe gern auf Partys, und die Produzenten waren begeistert, als sie mich mit dem Lied ,Santo Domingo´ von Wanda Jackson hörten", erinnert sich Linda, die am liebsten Schlager von Michelle, Nicole oder Bernhard Brink hört. "Aber dann entschied ich mich für die Familie. Manchmal gehen Renaldo und ich tanzen in die Disko ,Alpenmax´ in Bad Salzuflen."

    Zurzeit ist die Stimmung jedoch gedrückt, denn die finanziellen Sorgen lasten schwer. Rund 500 Euro kostet das Futter pro Woche, dazu kommen Tierarztkosten, und im Januar werden Steuern und Versicherungen für die Lastwagen fällig, Beträge, die in die Tausende gehen. "Wir bitten nicht um Geld, aber über Futterspenden freuen wir uns", sagt Renaldo. "Und wir brauchen Auftritte."

    Akrobatik und viele Tiere

    Immerhin hat der Zirkus auch im Winter einiges zu bieten: neben halsbrecherischen Akrobatik-Nummern kann man Cowboys, Feuerschlucker, Jongleure, eine rasante Hundedressur, die Tauben-Show, Kamele als überraschende Geburtstagsgäste, ein großes Zelt für Hochzeiten sowie viele weitere Attraktionen für Schulprojekte, Kindergärten, Kliniken, Altenheime, Betriebsfeiern, Diskotheken und private Partys mieten. Wer will, kann Linda und Renaldo auch in der Festungsstraße 7a besuchen und gegen eine Spende die Tiere streicheln, die acht Wochen alten Pudelwelpen sowie das süße zwei Monate alte Eselbaby "Adriano" und seine Mama "Adelheid" bewundern, die Schweinchen "Susi" und "Strolchi", das Lama "Hansi" oder Ziege "Emma" begrüßen und hautnah Kamele, Dromedare und edle Pferde bestaunen.

    Anmeldungen bei Linda Köllner, Telefon: 01 77 - 45 20 421, E-Mail: lindakoellner
    yahoo.de.


    ~womo66~fritz14~fritz~, 2009-01-05

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